Bericht CIAT EUSTON 2016
Wettbewerb für traditionelle Anspannungen in Euston Park 2016
Aus dem Blickwinkel des Stallmeisters betrachtet…
Die Vorbereitungen gehen früh los mit all dem Schreibkram, den Schildern, die gebraucht werden, Sicherheitshinweise, Wegweiser zu den Wasserstellen, den Toiletten, dem Bereitlegen von solchen Kleinigkeiten wie Reißzwecken, Papier, Stiften, Informationstafeln, Dichtungsband, um undichte Muffen der Wasserleitungen abdichten zu können, und dem Überprüfen, ob überhaupt genug Wasserschlauch, Muffen, Seil und Pfosten zum Markieren von Sperrzonen, zur Verfügung stehen. Nun muss ich alles in den Laster packen und dabei nicht vergessen, meinen Kram auch mitzunehmen: Proviant, Kleidung für jedes denkbare Wetter, natürlich auch ein todschickes Kleid, die Schuhe, meine Klunker und das Makeup (Vorsicht, dass die Pferde nicht darüber erschrecken!) fürs festliche Diner. Jetzt bin ich ganz aufgeregt und habe Bammel, dass ich nicht irgendetwas Lebenswichtiges vergessen habe.
Ich bin die Erste und als ich am Donnerstag vor der Veranstaltung in die Wiese fürs Stallzelt einbiege, bin ich ganz erleichtert, dass ich schon ein ansehnliches Stallzelt von Woodhouse für dreißig Boxen vorfinde, das für uns von der Ausdauerprüfung vom Wochenende zuvor gleich stehengelassen worden war. Das Personal der Verwaltung von Euston macht gerade alles sauber, wo am letzten Wochenende die anderen Stallzelte gestanden hatten und, wie versprochen, werden gerade die beiden großen Strohballen angeliefert. Ich kann dem Direktor der Landwirtschaft, Andrew Blenkiron, und seiner Mannschaft gar nicht genug danken für ihre Freundlichkeit und Tatkraft.
Nachdem ich den ganzen Kram aus dem Laster in eine freie Box geschleppt habe, fahre ich zurück, um mein Pony zu holen, das natürlich mitkommt, wenn es auch nicht am Wettbewerb teilnimmt. Als ich wieder am Stallzelt eintreffe, sind Eunice und Wally Binder bereits da, die die Veranstaltung organisierten. Von da an vergeht der Tag mit dem Einrichten der Wasserstellen, dem Aufstellen der Informationstafeln und Hinweisschilder und damit, Eunice, Wally und Familie zur Hand zu gehen.
Die Nacht zum Freitag wird interessant, da ich feststellen muss, dass sich mein Pony, das es nicht gewohnt ist, außer Haus zu nächtigen, einsam fühlt und mich nahe bei sich haben will und droht, die ganze Nacht gegen die Tür seiner Box zu donnern. So ziehe ich mit meinem Bett um vor seine Box, was sich bewährt - wenn man von der Mückenplage dort absieht!
Am Freitagfrüh werde ich, wie erwartet, von einem zarten Gewieher über mir geweckt: Es ist fünf Uhr morgens! Alles ist ruhig auf der Stallwiese und ich schaue mir die herrliche Landschaft ringsum an, höre, wie mein Pony zufrieden sein Heu kaut, während ich an meinem Tee nippe und mein Frühstück verzehre. So geht der Tag an.
Um die Mittagszeit kommt mein erster Teilnehmer an, der aus Nord-Yorkshire kommt, und der Nächste kommt nach einer Zweitagesfahrt aus Cornwall hier an. Ich bewundere Leute, die so weit zu einer Veranstaltung fahren. Den Nachmittag über werden immer mehr Boxen bezogen, das Scheppern der Eimer, das Rascheln des Strohs, aufgeregtes Schwatzen, und die gedämpften Huftritte, wenn die Pferde in ihre Boxen geführt werden. Zur „Teatime“ kann ich ausspannen, denn alle meine Schützlinge außer einem, der erst am Sonntag kommen sollte, sind gut untergebracht und da es schließlich zu regnen beginnt, stimmen sich einige Teilnehmer schon auf den Geist dieses Wochenendes ein und stehen in der Stallgasse herum zu einer improvisierten Party.
Gordon Marks, einer der Richter, brät nun eine prächtige Sau am Spieß, was alle zu einem Schwatz um den Braten versammelt, zum Austausch von Neuigkeiten, mit Freunden, die man schon einige Zeit nicht mehr gesehen hat.
Glücklicherweise hat mein Pony jetzt Stallkameraden und braucht mich nicht mehr, um ihm den Huf zu halten. Alle anderen Pferde haben sich’s bequem gemacht (keine Türdonnerer dabei) und so ziehe ich mich in meinen Laster zurück um mein müdes Haupt zur Ruhe zu betten.
Am Samstagmorgen kommt der Wagen mit Speisen und Getränken (Global Food) gerade recht zum Frühstück und ich genieße ein feines Sandwich mit Speck. Alles ist schon geschäftig beim Polieren der Wagen, der Geschirre und der Pferde um sie für die Präsentation am Nachmittag vorzubereiten. Nun kommen auch allmählich die prächtigen freiwilligen Helfer, ohne die wir den Wettbewerb nie stemmen könnten. Das Auge des Sturms erlebe ich, als die Teilnehmer die Strecke mit ihren Fahraufgaben in ihren Autos besichtigen.
Nun beginnt der eigentliche Wettbewerb. Die Richter Gordon Marks, Jean Clayden, Richard James und Elizabeth Cartwright-Hignett sind auf ihren Positionen im Park. Eines der wunderschönen Gespanne nach dem anderen fährt vorbei mit ihren schicken Zylindern und Federhüten. Die meisten Fahrer lächeln etwas angespannt. Es werden die verschiedensten Pferde vorgeführt. Alles, von einem Viererzug geschäftiger Shetland-Ponys bis zu sich spektakulär stellenden Gelderländern und Friesen mit ihrem hohen Aufsatz und den schönen Schweifen.
Obwohl das Wetter zeitweise etwas windig und trübe ist, bleibt es während der Präsentation trocken, was ein wirklicher Vorteil ist. Einer nach dem anderen kommt zum Stall zurück und stellt seine Pferde in die Box, legt die schicken Kleider ab und entspannt sich wieder.
Einige von uns machen eine sehr interessante Führung durch den Garten von Euston Hall mit, die der oberste Archivar, Edward Wortley, anbietet. Die Anlagen sind in großem Umfang von dem heutigen Herzog und der Herzogin von Grafton wieder hergestellt worden. So bekommen wir einen Einblick in das originale Werk von Lancelot Capability Brown. Das Schloss ist gegenwärtig für das Publikum gesperrt, weil es auch restauriert wird. Wenn man nach den Gartenanlagen geht, ist das Schloss bestimmt der Besichtigung wert, wenn es wiedereröffnet ist.
Am Abend hübschen wir uns mitten auf der Wiese auf so gut wir können, ziehen uns unsere schicken Klamotten an und steigen in den gecharterten Bus zum Gemeindesaal in Saperston, wo Ian Patterson-Parker und sein tolles Team von Simply I.P.P. Event Catering eine exzellente Mahlzeit vorbereitet hat. Dabei verwendet er lokale Produkte, beispielsweise Red Poll Beef aus der Landwirtschaft von Euston. Reden werden gehalten, Preise verliehen, Bilder werden versteigert und den Sponsoren und den freiwilligen Helfern wird gedankt. Schließlich hält Amy Bracey von der Carriage Fondation einen sehr interessanten Vortrag über Kutschen.
Am Sonntagmorgen geht es wieder früh los und der Regen der Nacht ist vom Wind vertrieben worden und es sieht gut aus für den Tag. Es ist noch niemand im Stall und so bleibe ich zum Frühstück so ruhig wie möglich in meinem Laster, damit ich nicht die Pferde zum Wiehern bringe, bis die ersten Leute zum Füttern kommen.
Bald ist die Wiese voller Leben: Helfer und Richter kommen an und gehen ab zu ihren Positionen und die Streckenfahrt beginnt. Sie führt über 16 km hauptsächlich auf Nebenstraßen und endet auf dem Grund von Euston Hall, wo die Fahraufgaben aufgebaut sind und die Schlusstrecke zum Ziel führt.
Nach der Streckenfahrt setzen sich die Helfer zum wohl verdienten Mittagessen zusammen und gehen gleich wieder ab zum Fahrplatz, wo das Kegelfahren und die Präsentation stattfinden. Es wird wieder geputzt und poliert um auf dem Fahrplatz den besten Eindruck zu machen – und wieder fährt ein Gespann nach dem anderen ab.
Amy Bracy (Carriage Foundation) hat sich freundlicherweise bereit erklärt, die Gespanne zu kommentieren, was sie wirklich sehr kompetent tut. Ich lerne eine Menge von dieser jungen Dame, denn sie weiß so viel und ist so begeistert von Kutschen.
Die Gespanne werden nun vorgestellt und die Preise überreicht. Alle Teilnehmer erhalten eine schöne Stallplakette zur Erinnerung an den Wettbewerb, die von Elizabeth Cartwright-Hignett gestiftet wurde. Es gibt auch eine Tasche mit prima Kleinigkeiten, die nette Leute gestiftet haben.
Der Wettbewerb ist all zu schnell vergangen. Allgemeine Geschäftigkeit herrscht, da jeder seine Pferde und seine Siebensachen aus dem Stallzelt holt und im nu danke gesagt hat und auf Wiedersehen und weg ist.
Der Wettbewerb für traditionelle Anspannungen ist gut verlaufen und die Teilnehmer und ihre Helfer haben sich gut in den Geist der Veranstaltung hineingefunden. Es geht ja nicht ums Gewinnen und darum, andere Auszustechen. Es geht darum, die traditionellen Anspannungen zu feiern, die traditionelle Fahrweise, darum, Umgangsformen zu zeigen und auf andere Rücksicht zu nehmen. Gerade dies hat mein Amt als Stallmeister so angenehm gemacht.
Ich stehe jetzt wieder einsam in einem stillen Stallzelt, außer meinem lieben Pony. So entscheide ich, dass ich ihn lieber gleich heimbringe und am nächsten Morgen in aller Frühe wiederkomme.
Eunice, Wally und ihre Familie, die monatelang so hart gearbeitet haben, um den Wettbewerb
zu organisieren, sind schon am Aufräumen auf der Stallwiese, als ich zurückkomme. Eunice und ich beladen meinen Laster mit all den Schläuchen etc. und währenddessen tauschen wir Eindrücke vom Wochenende aus. Sie fahren nun alle ab und ich mache einen abschließenden Rundgang über die Stallwiese. Ich bin sehr stolz auf meine Schützlinge. Ich brauche nichts mehr tun, denn jeder hat seine Abfälle aufgesammelt und die Wiese tadellos sauber hinterlassen. Ich schließe das Gatter und weiß, dass das eine gute Sache war.
Linda Twitchen
Wenn Sie sich für die Sache interessieren, dann wenden Sie sich bitte an die Association Internationale d’Attelage de Tradition (AIAT).